You are currently viewing Eine Briefmarke und ein Hauch Abenteuer
Alltag & Kurkuma

Ich schreibe noch Briefe.

Nicht, weil ich muss. Sondern weil ich das Kratzen des Füllfederhalters auf dem Papier mag.

Weil ich es mag, einen ganzen Brief lang an dieselbe Person zu denken. Ein wolkenloses Gefühl.

Mit einer Briefmarke frankiert, reisen meine Briefe in alle Himmelsrichtungen. Meist klebe ich die schlichten Dauermarken. Seit Kurzem aber auch Sondermarken – früher von mir als grossmütterlich abgetan, heute finde ich sie schmuck.

Eine Cupcake-Marke zum Geburtstag. Oder ein Saanenland-Sujet nach Übersee. Die Motive verleihen dem Brief das gewisse … Sie wissen schon. Eine persönliche Note.

Letzten Donnerstag klebte ich die letzte Marke auf. Zeit für Nachschub.

Ich ging zur Post. Die Dame hinter dem Schalter öffnete die Schublade oben rechts. Sie wühlte, suchte, förderte zwei Bündel zutage. Ich hoffte auf etwas Überraschendes. Eine Marke, die mich inspiriert, an wen ich als Nächstes schreiben könnte.

Vielleicht eine Briefmarke mit Schweizer Fleisch für meinen grillverliebten Onkel? Doch nichts dergleichen.

Die Postdame zeigte mir ein Kursschiff. Hübsch, aber ich kenne keinen Kapitän, ausser von Privatbooten, zählt das?

Das zweite Sujet: eine Kirche in lieblicher Landschaft. Ich musste genau hinschauen: Regionaler Naturpark Schaffhausen. Warum verkauft man in Gstaad Briefmarken vom östlichsten Zipfel der Schweiz? Ich war verwirrt.

Ein letzter Versuch: «Diese hier hätten wir noch, aber sie sind nicht selbstklebend.» Die Marke hielt sie nur kurz hoch, als wäre sie ihr selbst peinlich, und verräumte sie gleich wieder.

Ich war ratlos. Und ging schliesslich mit langweiligen Dauermarken.

Zuhause betrachte ich das neue Set. 50 Mal dieselbe Auenlandschaft. Immerhin: die Aare. Ein Berner Sujet. Aber ich bin enttäuscht. Hätte ich doch die Schleckmarke genauer angeschaut.

Vielleicht war es jene Pfadi-Briefmarke, von der meine Nichte erzählt hatte. Die Marke rieche beim Reiben nach Lagerfeuer. Wecke Erinnerungen. Und mache auf das diesjährige Bundeslager mit 30’000 Pfadfinderinnen und Pfadfindern im Goms aufmerksam, ein Generationenanlass.

Ich stelle sie mir vor: gestapeltes Holz, Flammen, ein Cervelat. Ich rieche Rauch. Höre Knistern. Gitarrenakkorde. Spüre das Abenteuer. Sehe Sterne über mir.

Verflixt.

Ich muss sofort zurück zur Post.