- Wie man garantiert zu einem Platten kommt.
- Wo die schönsten Plätze zum Reparieren liegen.
- Praktische Flick-Tipps am Schluss des Beitrags.
Seit ich denken kann, fahre ich Rad. Zur Schule, in den Sprachaufenthalt und in die Berge. Auf all diesen Fahrten wurde ich von Platten und Pannen verschont. Ich hätte auch nicht gewusst, wie man sie beheben muss …
Als ich zu meinem vierzigsten mein erstes Mountain-Bike geschenkt kriegte, fand ich es an der Zeit, endlich einen Crashkurs zu belegen. Seither kann ich theoretisch Schläuche aus den Pneus pulen und reparieren –, denn faktisch macht Jürg die harte Arbeit. Ich pumpe bloss.
Das hat sich an einem wolkenlosen Nachmittag im Hinterland des ionischen Meers brüsk geändert. Auf einer ausrangierten Strassenbrücke über das Flüsschen Cavone, nur sieben Kilometer von unserem nächsten Logis in Scanzano entfernt.
Mit Patina überzogen werfen die geschwungenen Brückenbögen in der Nachmittagssonne lange Schatten, eine Szenerie, die uns anzieht. Ich stosse das Bike über die knöchelhohe Mauer auf einen Teppich aus welken Tannennadeln. In einer Ritze des Asphalts gedeiht ein Kaktus.
Das Bike wird plötzlich schwer und das Geräusch von platten Rädern weckt meinen Verstand, der einen Moment lang in eine Parallelwelt von vergangenem Leben abgedriftet ist.
Auch die Pneus haben an Leben verloren. In beiden Pneus stecken unzählige Dornen, die ich mir beim letzten Lost Place, einer ehemaligen Tamoil-Tankstelle, wohl eingefangen habe. Jürg fötzelt: «So, jetzt bist du endlich Mal an der Reihe.»
Ich löse das hintere Rad, Jürg das Vordere. Als erstes ziehen wir alle Dornen raus. Ich zähle 20, Jürg gar noch ein paar mehr.
Ich stecke meine billigen Wagenheber rein, Jürg lacht mich aus. Erstens halte ich das Rad falsch und zweitens biegen sich die Reifenheber durch, ohne dass der Pneu sich auch nur einen Millimeter aus der Felge bewegt.
Jürg leiht mir seine robusten Reifenheber und gibt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie ich diese verflixte «Schwalbe» rausbringe.
Soweit sogut. Zwei Ersatzschläuche haben wir gottlob. Aber erst mal prüfen wir die Innenseiten der Pneus auf weitere, vielleicht abgebrochene Dornen, nicht dass sie die neuen Schläuche gleich wieder pieksen. Wir ziehen noch einmal ein Duzend raus! Wenn wir nur alle erwischt haben.
Aufpumpen. Schlauch reinwursteln. Pneus einmanteln, noch einmal Aufpumpen und hoffen, dass wir keine Dornen übersehen haben. Einen weiteren Platten möchte ich nicht haben.
Wie unsere feissigen Blog-Leser wissen, sind Platten eigentlich Jürgs Spezialität. Sein Krüppeli hat oft Platten, weshalb unsere Touren meist länger dauern als geplant. Krüppeli? So nenne ich Jürgs Kettler-E-Bike, weil seine Kette ständig rausfliegt (oder Freiheitsdrang hat**) oder ein Pedal knirscht (Nein! Lustige Geräusche macht**).
Nun, da es mich mit voller Wucht erwischt hat, könnte Jürgs Schadenfreude nicht grösser sein. Er spottet, während ich mit den Reifenhebern hantiere, ebenfalls, als mir der Schweiss beim Pumpen von der Stirn läuft und natürlich am nächsten Tag, als ich im Agritourismo in Scanzano den Ersatzpneu für den heutigen Biketag flicke. Es ist Sonntag und die Geschäfte sind geschlossen, weshalb wir auf diesen angewiesen sind.
Als ich den Schlauch ins Wasser halte, blubbert es allenthalben. Da gibt es grosse und kleine, winzige und munzige Löchlein. Nun trotte ich unverdrossen zwischen Brünneli und Trumpli hin und her. Trumpli? Als Antwort auf Krüppeli nennt Jürg mein Canyon Trumpli, seit es kurz vor den US-Wahlen heimlich einen ironischen Trump-Kleber erhalten hat. Herzlichen Dank auch an Alex an dieser Stelle!
Ich allerdings mag Trampli besser als Trumpli, war doch Charlie Chaplins Kunstfigur genau so agil wie mein Velöli!
* An diesen Stellen vielen Dank an Jürg, der meint, dass er das mängisch klarer sieht als ich.
** Besten Danke auch an Blanca, die mir, der ich just Bildli reinschupsen sollt, leichten Sinnes Zugang zum Texteditor gewährt hat.
Tipps, die ich vor einem Jahr noch nicht befolgt hätte:
- Platten hat man immer an den unmöglichsten Orten ohne Zugang zu einer Werkstatt. Neben dem üblichen Flickzeug immer ZWEI Ersatzschläuche mitnehmen.
- Nicht nur den Pneu, sondern auch den Pneu-Innenteil auf die Ursache der Panne prüfen. Besonders bei «Dornenbefall». Tatsächlich entdeckte ich Stunden später, dass der neue Schlauch trotzdem wieder Luft verlor hatte.
- Qualität des Werkzeugs überprüfen. Alte Flicken und eingetrockneter Leim können nerven.