- Was dem Sinn- und Klangweg Düdingen fehlt.
- Warum man ihn trotzdem besuchen sollte.
- Nützliche Links mit GPX-Daten und Infos.
Es ist ein Kreuz mit dem Sinn- und Klangweg zwischen Düdingen und Freiburg. Jürg hat ihn entdeckt, als wir im Zug nach Düdingen sitzen, und er in seiner Lieblings-Outdoor-App Organic Maps nach der schönsten Bike-Route nach Hauterive sucht. Das dortige Kloster der Zisterzienser-Mönche liegt wunderbar eingebettet in einer der zahlreichen Schleifen, die der Fluss Saane in die Landschaft zeichnet. An diesem Ort der Stille verweilen wir gerne und kaufen im Kloster-Laden eine Kleinigkeit ein.
Doch nun lenkt uns der Sinn- und Klangweg von unserem Vorhaben ab. Der Web-Eintrag von Freiburg Tourismus klingt verheissungsvoll: Der Themenweg entführe uns «vom hektischen Alltag in eine sphärische Welt der Sinne». Das ist genau das, was wir nach einer langen Arbeitswoche brauchen: Ein paar gemächliche Stunden in der Natur. Wir freuen uns darauf, die 15 Stationen zu entdecken, und dabei all unsere Sinne einzusetzen.
Wir lesen weiter: Der Weg sei teilweise behindertengerecht, was bedeutet, dass wir ihn mit dem Bike gut befahren können. Neugierig geworden folgen wir seinen Spuren.
Wir durchkämmen den Bahnhof nach Hinweisen zum Einstieg. Die blassen Wegweiser sind so klein, dass wir auf der Suche nach ihnen die erste Station, einen Engel, schon einmal verpassen.
Das fällt nicht weiter auf, denn schon nach wenigen Metern rollen wir mit unseren Bikes in einen lichten Mischwald. Neben uns rauscht der Düdingerbach während wir rechts an Tonmühlen drehen. In einem filigranen Gebilde türmen sich vier Mühlesteine übereinander auf. Sie sind hübsch anzusehen, bleiben in der Bewegung aber stumm.
Wir fragen uns später, ob wir sie mit einem herumliegenden Ast hätten berühren sollen, um sie zum Singen zu bringen. Wir trösten uns damit, dass weitere Stationen folgen würden und wir schon noch hinter das Mysterium dieses Weges kämen.
An der nächsten Station fangen blank polierte Kugeln das Sonnenlicht ein. Für einen Moment denke ich an das Versprechen des Tourismusmarketings, uns in eine sphärische Welt zu entführen. Der Name der Installation führt meine Gedanken aber woanders hin: «Kugelsplitter». Mir kommen die letzten Schreckensmeldungen aus den Kriegsgebieten in den Sinn, ich senke meinen Blick für einen Moment. Widerwillig scheppern die lädierten Kugeln im Kreis.
Der Weg führt nun über mehrere Treppenläufe zum Düdingerbach und auf der anderen Seite wieder hoch. Haben wir nicht gelesen, der Weg sei teilweise behindertengerecht? Als ich auf dem Treppenabsatz stehe, stelle ich mir das dazu passende Verkehrsschild vor: Eine Person im Rollstuhl getragen von zwei Kräftigen auf blauem Hintergrund.
Dann beobachten wir eine Familie, die sich auf der anderen Seite hoch müht. Mein inneres Bild verändert sich: Die Mutter trägt das Jüngere, während der Vater den Kinderwagen ächzend die steile Treppe hochstösst.
Es sollte nicht die letzte Schwelle sein. Auf dem insgesamt neun Kilometer langen Themenweg gibt es noch viele Stufen, Treppen und Hänge, wie wir später feststellen.
Im hügeligen Sensebezirk bleibt die Landschaft malerisch. Der Spindelstrauch am Wegesrand leuchtet in intensiven Herbstfarben: Aus purpur-rosa Fruchtständer wirft er orange Samen ab. Es folgen geschwungene Wanderwege und Forststrassen, die uns zum Schiffenensee führen.
Bei einem landwirtschaftlichen Unterstand entdecken wir einen angerosteten Traktor, der seiner Dinge harrt und um dessen Motor sich eine Schlingelpflanze rankt. Jürg und ich unterhalten uns darüber, wie man diesen robusten Oldtimer in den Sinn- und Klangweg einbinden könnte. Die Kinder könnten auf ihm herumklettern und ihn mit einem Gummiklöppel zum Klingen bringen
Später erfahre ich, dass es sich beim orangen Traktor um einen Renault N70 handelt. Dieses Modell sei in den Jahren 1960er- Jahre in einer Auflage von nur gerade 17’400 Stück hergestellt worden. Nicht viel, denke ich, ein Fundstück sogar, das seinen 70. Geburtstag bereits hinter sich hat. Vielleicht würde unsere Idee, den Oldtimer als Klangkörper zu nutzen, bei Traktorfans weniger gut ankommen. Immerhin wäre es ein Zeichen des Respekts, ihn in den Mittelpunkt zu stellen, statt an einem abgelegenen Strassenrand verkümmern zu lassen.
Man liest es vielleicht zwischen den Zeilen. Der Sinn- und Klangweg begeistert verhalten. Er wirkt ideenarm, teils aus dem Kopf geboren, statt sinnlich erfahrbar. Die Texte auf den Schildern suggerieren wohl Lebendigkeit, doch ein ums andere Mal wird man enttäuscht. Die Stationen klingen nicht.
Einige Beispiele gefällig? Am Ort der Stille lädt eine gedeckte Parkbank am Waldrand zum Verweilen ein. Wenn auch die Idee nicht neu ist, ist daran nichts auszusetzen. Der springende Punkt: Ein Forstweg führt in der Nähe vorbei, über den landwirtschaftlichen Fahrzeugen poltern, selbst an einem «heiligen Sonntag».
Bei einer anderen Station solle man in den Wald schreien, heisst es. Die Bäume wirken dort etwas geknickt, so wie das Schild, das die Station beschreiben sollte.
Ein kleiner Tipp für sensible Ohren: Die nach Grösse angeordneten Geissenglöcklein klimpern nach einer eigenen Harmonie und die liebevoll in Handarbeit hergestellten Koshi-Windspiele aus Bambus kommen nicht gegen den Wind an.
Jetzt ist aber genug gemeckert. Es gibt nämlich auch einige Highlights: Besonders spannend fand ich die Station Klopfer. Man hört sie schon von Weitem. Das macht neugierig. Bei der Spurensuche finde ich am Wegesrand einen Schacht mit Plexiglasdeckel. In dessen Tiefe steht eine Maschine, die im selben Takt Wasser spritzt, wie das Klopfen tönt. Es handle sich um einen hydraulischen Widder, dessen Aufgabe es sei, Wasser ohne Elektrizität in die Höhe zu pumpen, verrät die Tafel.
Lässig liegen und hängen drei Milchkannen am Waldrand, die sich mit mehr Glück als Verstand öffnen lassen. Sie warten darauf, als Klangkörper zu erklingen. Jürg schlägt sie mit Stöcklein und Deckeln an. Das Aluminium erweist sich leider nicht als der erhoffte prächtige Klangkörper. Nichtsdestotrotz schlägt er einen Rhythmus und erfreut sich einer halbwegs klingenden Installation. Und hofft mit einem Blick zu den grasenden Kühen nebenan, dass sie heute keine saure Milch produzieren.
Auf den Höhepunkt unseres Ausfluges hat uns Freiburg Tourismus nicht vorbereitet. In einer 90°-Kurve entdecken wir ein eisernes Eingangstor. Zwischen Weintrauben und Feigenbäumen blinzelt gelber Sandstein hindurch, in dessen Fassade Fenster und Türen eingelassen sind. Es handelt sich um die Einsiedelei Magdalena. Ich folge meiner Neugier. Über eine steile Treppe gelange ich in die erste Kaverne und finde mich in einer grossen Kapelle wieder. Karge Holzbänke. Ein Altar. Eine Statue Jesu. Eine gezeichnete Magdalena.
In den nächsten Minuten werde ich still. Meine Augen erkunden das Sediment, Schicht um Schicht abgelagert vor Millionen von Jahren. An den Wänden gibt es Erinnerungen an besondere Menschen und Botschaften an die Zukunft. Ein lebensgrosses Holzkreuz wirkt weich und tröstend. Es hängt – für einmal ohne einen leidenden Jesus – friedlich über dem Altar. Ich streife in den nächsten Raum, aus dessen Schatten mich Jürg diebisch erschreckt. Ich kreische so laut, dass der Sandstein mir antwortet.
Auch vom Klangrohr sind wir überrascht, das auf dem Viadukt «Grandfey» erklingt. Wir schauen kurz über das Brückengeländer in die 82 Meter tiefer liegende Saane. Mir wird etwas schwindlig. Fast zufällig entdecken wir später, dass eines der Rohre durchgeschnitten ist. Uj, zum Glück habe ich das nicht vorher bemerkt! Jürg schlägt das Rohr mit zwei Fingern an. Es schwingt, surrt und gurrt. Wir halten inne, der Schall ergreift unsere Körper, während wir unseren Blick vom vibrierenden Geländer lösen und ihn über die Saaneschlucht schweifen lassen. Ein Gefühl von angerauter Leichtigkeit erfasst mich.
Bevor wir die letzte Station besuchen, gönnen wir uns in der schönsten Herberge Freiburgs, dem Aux-4-Vents, erst einmal eine Erfrischung. Eine verwunschene Parkanlage umarmt das Herrschaftshaus am Rand von Granges-Paccot. Seinen Innenarchitekten gelingt der spielerische Spagat zwischen Moderne und Brockenhaus-Ambiente. In den Herrschaftsräume dinieren jene, die etwas zu feiern haben, im Lustgarten denken ältere Pärchen an jene Zeit, als sie noch Händchen gehalten haben, und auf der Jugendstil-Terrasse sitzen Studierende in warmen Mänteln vor einer Tasse Kaffee, die längst leergetrunken ist.
Ich denke an die Familie mit dem Kinderwagen zurück und fragte mich, bei welcher Station sie wohl kapituliert haben.
Schliesslich wagen wir uns zum letzten Sinnes-Objekt mit dem verheissungsvollen Namen Augenblick. Man kann durch das Auge eines stilisierten Kopfes einer Riesin schauen. Jürg bringt sich in Position. Guckt, schiebt sich ein wenig nach rechts, dann nach links und schüttelt schliesslich den Kopf.
Ein Stammgast geht an ihm vorbei und meint ganz nebenbei: «On ne voit pas beaucoup – seulement une croix».
Als ich durchschaue, verstehe ich was er meint: Man sieht nichts als ein verschwommenes Etwas – und ein Fadenkreuz.
Tatsächlich kann man mit seinen weisen Worten den Sinnes- und Klangweg Düdingen-Freiburg zusammenfassen: Um ihn sehen, erfahren und hören zu können, muss man sich das Kreuz vor Augen halten und vor allem ein bisschen daran glauben.
Hilfreiche Infos:
– Sinn- und Klangweg Düdingen-Freiburg
– ZIP-Datei mit GPX-Daten
– Geschichtlicher Einblick in die Einsiedelei Magdalena