Jürg möchte Blubber. Ich bin glücklich ohne, geniesse die Stille im Garten des Boutique-Hotels Le Cigogne in St-Ursanne. Der Wellnessbereich liegt unter einer Laube, die an einen Kreuzgang erinnert. Der grosse Bruder befindet sich über die Strasse in der Stiftskirche des historischen Dorfes.
Wir hören den Vögeln zu, die den noch jungen Tag begrüssen. Unsere Körper entspannen in einer Wanne mit kristallklarem Wasser, angenehme 38 Grad warm. wir strecken unsere Zehen an die kühle Morgenluft, es kribbelt.
Mein Handy vibriert. Eine Message von Sport2Go plopt auf: «Hallo Blanca, dein Fahrrad ist repariert und kann jetzt bei uns abgeholt werden.»
Mein Jubelschrei durchbricht die Stille. Jürg schaut mich fragend an. «Sie haben es geschafft», rufe ich. «Sie haben mein Bike wieder zusammengebaut!»
Es ist Freitagmorgen. Jürg und ich hatten Pläne gemacht. Jürg wollte in der Laiterie einen gut gelagerten Käse einkaufen, der auf einem Hof in der Nachbarschaft hergestellt wird. Wir hatten ihn am Tag zuvor probiert. Er stinkt wie Appenzeller, ist eigenständig und vollmundig, nicht mein Typ, aber Jürg’s schon.
Wir hätten uns auf dem Circuit Secret auf Spurensuche der Geschichte von St-Ursanne begeben können. Vielleicht hätten wir einen Spaziergang entlang des Doubs gemacht und wären gegen Abend nach Hause gefahren.
Aber eben: Die Pfingsttage stehen vor der Tür und laden zum Biken ein. Also lassen wir das meistbesuchte Städtchen des Juras hinter uns und fahren direkt mit dem Zug nach Biberist, um das Bike aus der Werkstatt abzuholen.
Ich schaue mir mein Canyon an. Es hat noch immer dieselben Schlammspuren auf dem Rahmen wie vorher, aber sein Innenleben ist wie neu. Das Lichtkabel wurde sauber eingezogen, das Licht ist montiert und brennt. Auch mein zweites, neues Gadget, der SmartphoneGrip mit Induktionsladegerät, ist verkabelt – und hier noch das Wichtigste: Der Akku ist wieder im Unterrohr verschraubt. Jürgs und mein überambitioniertes Schrauben ist schon fast vergessen.
Ich schiebe das Bike also vor die Türe. Daneben steht mein Gepäck. Es handelt sich um einen mittelgrossen Rollkoffer und eine überdimensionale Handtasche so gross, dass ein modernes Büro reinpasst.
Wie soll ich das bloss aufs Bike packen, frage ich mich zum x-ten Mal!
Wie immer hat Jürg die kreativsten Ideen. Er holt beim Detailhändler eine übergrosse Tasche, in die meine Handtasche passt. Ich streife sie wie Rucksack über die Schultern.
Was machen wir mit dem Rollkoffer? Hinterher ziehen? Kommt wohl nicht gut, geht es mir durch den Kopf. Schliesslich löse ich den Schultergurt meiner Handtasche und binde ihn am Koffer zu einer Schlaufe. Dann ziehe ich den Gurt aus meiner Jeansjacke und bastle auch daraus einen Rucksackgurt.
Jürg zieht sich den Rollkoffer-Rucksack über, macht eine Testfahrt und meint: «Das könnt so gehen.»
Oh und dann wäre da noch mein Regenschirm Grösse XXL. Jürg schnallt ihn ans Oberrohr seines Kettlers und schon geht es los entlang der naturbelassenen Emme Richtung Bätterkinden.
Der Fluss gleicht einem Dorfbächlein, das sich im breiten Flussbett den Weg des geringsten Widerstandes sucht und sich um melonengrosse Steine schlängelt. Die Landschaft ist malerisch, die Fahrwege und Single Trails sind menschenleer. Wir geniessen die Heimfahrt und mein Herz hüpft, weil der Motor meines geliebten Canyons wieder schnurrt.
Nicht, dass unsere improvisierten Rucksäcke bequem sind: Die Gurten schneiden ins Fleisch und das Blut ab. Es drückt auch sonst in den Rücken. Aber wer will schon bei schönstem Wetter angenehm im Zug reisen, wenn er sich ein tolles E-Bike unter den Hintern schnallen und den Fahrtwind im Haar spüren kann.
Kleiner Tipp: Von Biberist nach Bern gibt es eine Auswahl an wunderschönen Trails. Sie sind technisch einfach zu fahren und verlangen wenig Kondition. Ideal also für faule Tage, wenn man doch schnell raus will. Oder bei unsicherem Wetter.
Die Tour ist wegen Dichtestress im Sommer nicht zu empfehlen.
Ab Bern fährt ein RegioExpress nach Solothurn mit Halt in Biberist.