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Alltag & Kurkuma

Das Mädchen marschiert zwischen zwei Damen vom Typ Spieler-Frau in den kleinen Park am Breitenrain. Im Schatten des Stadtbaumes, dessen Äste bis auf die Straße reichen, stehen drei Holztische. Hier trifft sich Bern, um die berühmteste Glace der Stadt zu essen. In der Hitzewelle, die der Klimawandel mit sich bringt, schmilzt es, bevor es die Zunge berührt. Das Mädchen setzt sich dir gegenüber auf die Bank und schaut dir in die Augen. Du siehst darin eine Tiefe, die dich überrascht.

Die beiden Frauen sind in ein Gespräch vertieft. Ihre Gesichter glänzen nicht wie die der anderen, die den ganzen Tag gearbeitet haben. Sie tragen teuren Puder und sportliche Kleider in eleganten, zurückhaltenden Farben. Das Haar wallt offen und trotz der sommerlichen Temperaturen steigt einem ein dezenter Parfumduft in die Nase, als hätten sie sich gerade frisch gemacht.

Das Mädchen isst sein Eis und schaut dich prüfend an, als wolle sie wissen, was du von den Dreien hältst. Ein Nachmittagsausflug von Mutter, Tochter und Tante, eine nette Familienangelegenheit.

Das Mädchen schaut. Du schaust gelegentlich zurück. Sie schaut weiter und bringt dich dazu, du weisst nicht warum, die Kopfhörer abzunehmen. Nur für den Fall, dass sie dir etwas sagen will.

Das Mädchen quittiert deine Handlung mit einem lässigen Desinteresse, als hätte sie dich nie herausgefordert. Aber jetzt ist es zu spät. Du bist neugierig geworden, und die Gesprächsfetzen der Erwachsenen kitzeln an deinem Ohr.

Dame A: Das Design der Nägel in diesem Laden ist ganz okay, wenn du French willst.

Dame B: Ja, French, das können beide.

Dame A: Ich zeigte ihr mein Design, aber ich wusste nicht, dass meine das nicht kann. Ich finde, mein Design ist nicht schwierig. Aber sie hatte sehr lange dafür. Und der Preis. Ich glaub, die haben später noch über den Preis gesprochen. Sie und die Andere.

Dame A: Bei mir sind die Farben schön.Schau mal dieses kalte Lila! Aber sie hätte genauer arbeiten sollen.

Sie streckt die Finger aus.Dame B: Das sieht man kaum, man schaut nicht auf beide Finger gleichzeitig.

Dame A: Ich sage dir, sie war gestresst.Und da wartete schon eine Dame.Ich bezahle doch nicht 90 Stutz, um zwei Stunden zu sitzen und zu warten…Dame B: Ach, es ist schon nach fünf, wir müssen noch einkaufen und dann weiter.

Man kann sich nur wundern, welche Banalitäten über den Kopf des Mädchens hinweg miteinander besprochen werden. Gehört das nachdenkliche Mädchen wirklich zu den beiden Frauen, deren Lebenskern die eigene Schönheit zu sein scheint? Oder wird das Kind von den beiden nur gehütet oder gar zur Imagepflege ausgeliehen? Tausend Gedanken gehen dir durch den Kopf.

Du stellst dir vor, dass sich das Kind über die Belanglosigkeit des Gesprächs ärgert. Dass es ganz andere Dinge studiert, über den Klimawandel nachdenkt und die Dringlichkeit des Handelns für eine gesunde Welt versteht. Ich glaube, in ihm eine neue Greta Thunberg zu erkennen, noch zu klein, um sich im eigenen Familienkreis durchzusetzen. Aber schon geimpft mit dem Geist, die Welt vor dem Untergang zu retten.

Sie wird biologische Produkte einkaufen, Fleisch meiden und demonstrieren. Sie wird NGOs präsidieren, sich ins Parlament wählen lassen und Millionen für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs durchsetzen. Sie wird neue Technologien gesetzlich verankern und Klimasündern mit Strafen drohen.

Während die Frauen schnatternd einpacken, kannst du die Augen nicht von diesem Mädchen lassen.

Sie wirft die Eisbecher in den Müll und geht mit erwachsenen Schritten in Richtung Laden. Die Frauen folgen ihr.